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Das Lagerbedürfnis von großen Rotweinen

Vor kurzem habe ich auf der Internetseite eines großen norddeutschen Weinimporteurs ein recht ausführliches Referat über die Lagerfähigkeit von Weinen gefunden. Ein sehr guter Service an sich, der mal als Jahrgangstabelle der verschiedenen Weinbau Regionen oder wie in diesem Fall als grundlegende Abhandlung angeboten wird. Die meisten Importeure fügen der Weinbeschreibung auch spezifische Daten, wie Alkohol, Restzucker und eben Lagerfähigkeit bei. Auffällig ist der Beginn der Trinkreife. Normalerweise liegt sie im Jahr der Entstehung des Kataloges, sehr selten noch davor, ebenso selten etwas später. Selbst so große Weine wie Grand Cru Burgunder, oder Grand Cru Classes aus dem Bordeaux sind laut Katalogangabe 1 – 3 Jahre nach Aufnahme ins Programm Trinkreif. Dem widerspricht der „Kleine Johnson“ eindeutig, kaum ein 98er Bordeaux ist 2002 zum trinken frei gegeben. Meine Erfahrung mit kleinen Gewächsen aus dem Bordoulaise bringt mich immer mehr zu der Überzeugung, dass überall bei der Angabe zur Lagerbedürftigkeit untertrieben wird.
Man könnte natürlich sagen, dass es auf die eigenen Geschmackserwartungen des Konsumenten ankommt, der eine mag die Weine jung und herb, mit noch körnigen und kernigen Tanninen, ich mag sie lieber ausgereift, es gibt also eine gewisse Streubreite, aber hier wird so getan als würde mit der Möglichkeit den Korken aus der Flasche zu bekommen, ein genussoptimales Erlebnis auf einen warten. Auf der besagten Service Internetseite von Hawesko steht also:
„Im Laufe der Zeit ändert sich der Wein in der Flasche und damit verändert er auch seinen Körper, seine Balance und seine Reintönigkeit.  Der Extraktreichtum eines Weins bleibt analytisch stabil und tendiert in zehn Jahren zu einem leichten Rückgang zwischen 3-6 Prozent. Die Ausgewogenheit ist ebenfalls analytisch stabil, tendiert aber sensorisch zur Abnahme, d.h., die sauren und bitteren Eindrücke verstärken sich, süße Empfindungen bleiben gleich oder nehmen ab. Auch die Reintönigkeit nimmt mit den Jahren progressiv ab, die Oxidation nimmt zu.  Insgesamt also muss man sich darüber klar sein, dass sich bei jedem Wein im Lauf der Zeit ein schrittweiser Rückgang des Trinkgenusses einstellt. Nicht alle Weine werden besser mit der Zeit. Damit ist freilich nicht gesagt, dass ein Wein nicht lagerfähig wäre. Denn genau hier liegt die Stärke des Weins: „in seiner wesentlichen Fähigkeit, sein angenehmes Wesen über lange Zeit hinweg zu bewahren“.“
1. Meine Empfindung bei Rotweinen ist, dass die Säure und Bitterstoffe mit der Zeit abgebaut werden und der Wein im Alter unter Umständen eine angenehme Süße erlangt.
2. Der Autor der Serviceseite widerspricht sich in zwei aufeinander folgenden Sätzen, wenn er sagt:
„Insgesamt also muss man sich darüber klar sein, dass sich bei jedem Wein im Lauf der Zeit ein schrittweiser Rückgang des Trinkgenusses einstellt. Nicht alle Weine werden besser mit der Zeit.“ Immerhin besteht auch für ihn die Möglichkeit, dass ein Wein mit der Zeit besser werden kann, dies scheint für ihn aber nur sekundär zu sein, denn der primäre Nutzen einer Lagerfähigkeit ist für ihn die Wertsteigerung des Weines. Auch nicht schlecht, aber doch eher interessant für Spekulanten. Ich spekuliere zwar auch mit Weinen, aber nicht kommerziell, sondern auf ein auserlesenes Trinkvergnügen.
Durch diesen Artikel bin ich nun auch nicht weitergekommen, sondern leicht irritiert, nun, ein Importeur will verkaufen und suggeriert seinen Kunden einen trinkreifen Wein erstanden zu haben, bei ganz widerspenstigen Exemplaren im Höchstfall noch zwei Jahre warten zu müssen.
Ich habe viele mittel teure Flaschen im Keller, die meisten in Kisten gekauft, das heißt 6 oder 12 Flaschen eines Jahrgangs. Wenn ich keine Hilfe aus dem „Kleinen Johnson“ oder ähnlicher Publikationen über den richtigen Trinkzeitpunkt bekomme, werden sie über Jahre probiert, es gibt immer wieder schlechte Flaschen dazwischen, nicht unbedingt Korkschmecker, ich denke aber durch Korkfehler hervorgerufene frühzeitige Oxidation. Die Industrie rechnet mit 10% Ausfall, so schlimm war es bei mir zum Glück noch nicht. Meine Sammlung begann mit dem Jahr 92. Ich kaufte damals einige Cru Bourgeois von Aldi, den Namen des Chateaus habe ich leider vergessen, die Weine wurden nach 6 Jahren langsam Trinkreif, nach 9 Jahren wurde die letzte Flasche geleert, Ausfall hatte ich keinen, die letzte Flasche war die Leckerste. Der 93er eines anderen Cru Bourgeois auch von Aldi, war meine 2. Anschaffung (Chateau de Moines). Er benötigte länger um Trinkvergnügen zu bereiten, musste aber ebenso regelmäßig verkostet werden. Lecker wurde er ab dem 8 Jahr, schon ganz schön lange für ein kleines Gewächs aus einem mäßigem Jahr. Eine Flasche habe ich noch im Keller, jetzt in seinem 11. Jahr dürfte er seinen Höhepunkt erreicht haben, so vermute ich, denn bis hier hin hat er sich kontinuierlich positiv weiter entwickelt. Ob diese Entwicklung nun noch fortgesetzt wird, oder die Zeit der Lagerfähigkeit anbricht, in der er seinen Genussstand beibehält kann ich mangels Masse nicht weiter untersuchen. Den Jahrgang 94 habe ich bei Aldi nicht entdecken können, also habe ich mich im Fachhandel umgeschaut, leider zogen damit die Preise rapide an. Diese Bordeaux haben eigene Internetseiten bekommen. Vom 95er Jahrgang konnte ich wieder bei Aldi kaufen, es war der Cambon la Pelouse Haut Medoc und der La Fleur Bonnet St Emilion, einer der beiden 2. Weine von Chateau Bonnet. Bis ins Jahr 2003 waren beide nicht wirklich lecker, was mich gerade im Fall des Cambon la Pelouse sehr verwundert hat, da er laut dem „Kleinen Johnson“ schon im 5. Jahr  Trinkreif gewesen sein soll. Von dieser Angabe in die Irre geführt habe ich halb jährlich eine Flasche entkorkt, immer mit dem gleichen Ergebnis, nicht gut. Welch eine Verschwendung, denn das der Wein an sich nicht schlecht ist, was ich ihm inzwischen unterstellt hatte, zeigte er Anfang 2004, seine Entwicklung neigt sich dem Ende zu, aber abgeschlossen ist sie auf keinem Fall, denn wenn man den Wein über mehrere Tage trinkt, das heißt in der geöffneten und wieder geschlossenen Flasche weiter Ruhen lässt, hat das Genusspotential am dritten Tag unerwartete Höhen erreicht. Für mich selber habe ich diese übern Daumen Rechnung aufgestellt; einen Tag in der angebrochenen Flasche = 1 Jahr Entwicklung im Keller. Das würde bedeuten der 95er Cru Bourgeois hat sich bis ins Jahr 2007 auf der Genussskala hochgearbeitet. Die ersten 9 Jahre ruhte er in sich verschlossen für den Weinliebhaber kaum zugänglich. Nun die Angaben zur Lagerfähigkeit eines Importeurs zum 2000er Cambon la Pelouse, eines Jahrgangs der den 95er wohl locker aussticht. Genussfähig von 2003 – 2008!
Möglich ist natürlich, dass der 2000er Jahrgang auch wenn er besser, also konzentrierter, ist, trotzdem früher zur Trinkreife gelangt als der 95er, auch können die von der Fachpresse angekündigten Bemühungen der Winzer im Bordeaux die Weine früher zugänglich zu machen hier schon  Wirkung zeigen, trotzdem wird der 2000er Cambon la Pelouse wenn er nicht fehlerhaft vinifiziert wurde weit aus länger als 10 Jahre Lagerfähig sein. Ich denke sogar er wird erst nach mindestens 10 Jahren, auch wenn er vorher schon zu genießen ist, seine tatsächlichen Stärken zeigen können. Ohne etwas unterstellen zu wollen, liegt die Vermutung nahe, dass so eine Qualitätsstaffelung, die sich ja zuerst im Preisgefüge zeigt, künstlich unterstrichen und damit legitimiert werden soll. Je teuerer die Weine, desto länger Lagerfähig. Hält man sich als Kunde an die Verfallsangaben und trinkt die kleineren Gewächse zu früh, dann geht die Rechnung auf und der immense Preisunterschied scheint absolut gerechtfertigt.

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