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Ein kleiner Ausschnitt aus einem großartigen Weinbuch für müßige und beschwingte Stunden von Stuart Pigott. Auch wenn es nicht sehr umfassend ist, so behandelt es ausgewählte Bereiche doch sehr humorvoll, menschlich, philosophisch und fachlich äußerst exakt. Bordeaux wird natürlich in einem eigenen Kapitel gewürdigt, nicht heldenhaft aber standesgemäß, mit einem kleinen Schuß Wehmut: “Trouble in Paradise?” . . .“Ich werde hier keinesfalls alle Weine ausführlich beschreiben, doch ist es durchaus von Interesse, dass Wein Nummer fünfzehn mich in Duft und Geschmack an etwas Metallisches erinnert und auch die geschmackliche Härte zeigt, was man kaum als vorteilhaft bezeichnen kann. Manche Verkoster murmeln noch viel Schlimmeres, doch besitzt der Wein trotz seiner Härte auch echten Charakter. Da er noch viel zu jung ist und mit der Flaschenreife sicher etwas harmonischer wird, beschließe ich, ihm 83 Punkte zu geben. Klar, dass neben seiner ziemlich mageren, reizlosen Erscheinung die Nummer siebzehn wie ein junger Gott daherkommt, ein Herkules unter den Weinen; nichts an seiner Kraft wirkt brutal, angeberisch oder dominant. Seiner Präsenz kann man sich nicht entziehen, und jetzt herrscht wirklich am ganzen Tisch konzentrierte Ruhe, weil alle versuchen, diesen berauschenden Wein zu ergründen (95 Punkte). Wieder erwarten wir alle voller Spannung die Auflösung durch Jochen Blass. Und als er jetzt verkündet: “Nummer fünfzehn ist der 1994er Chateau Petrus aus Pomerol. . .”, erhebt sich noch während er spricht ein Aufschrei der Empörung. “Mit der Flasche muss etwas nicht in Ordnung gewesen sein, so kann er nicht wirklich schmecken”, ist ein ziemlich aufgeblasener Weinfreund auf der anderen Seite des Tisches zu vernehmen, doch der Rechtsanwalt neben mir, bei dem ich sicher bin, dass er weiß, wovon er redet, entgegnet, er habe den Wein bei anderen Gelegenheiten Verkostet, und er habe genauso geschmeckt: “So ist der Wein”. Der Kerl gegenüber ist nicht überzeugt und versucht zu begründen, warum der Wein nicht in Ordnung sein kann. Schon recht erschöpft entscheide ich mich, nicht zur Verteidigung des Rechtsanwaltes einzuschreiten, es ist bereits Mitternacht. Als sich der Lärm etwas gelegt hat, fährt Jochen Blass fort, und es schwingt wieder etwas von der beinahe kindlichen Aufregung in seiner Stimme mit: “Wein Nummer siebzehn ist der 1994er L´Ermita von Alvaro Palacios aus dem Priorat. Jetzt kann ich verstehen, warum die spanischen Weine in den letzten Jahren weltweit für so viel Aufsehen gesorgt haben.” ( Auszug aus dem Buch: “Göttertrank und Blendwerk” ) Ich selber gehöre leider nicht zu jenem betuchten Weinliebhaberzirkel, denen es wahrscheinlich regelmäßig vergönnt ist einen hochrangigen Pomerol oder andere 1er Grand Cru Classes zu trinken. Meine Weine sind Cru Bourgeois, 5er oder 4er Grand Crus und ich würde viel dafür geben einen Petrus selbst mit nur 83 Punktzahl bewerteten Wein zu probieren, allerdings wäre mir dieses scheinbar zweifelhafte Vergnügen keine 100 Euro wert, und so erledigt sich das ganze Thema von allein. Weinwisser bewertet den 94er Petrus übrigends mit 18 von 20 Punkten, was etwa 90+ im 100er System entspricht, also mindestens 2 Klassen besser. Objektivität ist halt überall das unerreichte Ideal. Bevor ich nun zu meinen 94er Bordeauxs etwas schreibe, eine kleine Jahrgangsbewetung aus der Zeitschrift “Alles über Wein”: “Für eine einheitliche Gesamtbeurteilung problematisch, da ähnlich wie im Vorjahr eine große Bandbreite von unterschiedlichen Qualitäten erzeugt wurde abhängig vom jeweiligen Lesedatum ( Regenfälle während der Ernte ) und den ( freiwilligen ) Ertragsbeschränken. In Pomerol überragende Qualitäten. Die mit sattem Tannin, viel Frucht und guter Struktur ausgestatteten Weine werden nach dem Jahr 2000 erst richtig Freude bereiten. die man angesichts der stolzen Preise auch erwarten sollte.” |